Kunstraum Walcheturm, Kanonengasse 20, 8004 Zürich
Filmpodium, Nüschelerstrasse 11, 8001 Zürich
Der Filmemacher und Künstler Mika Taanila bewegt sich mit seinen Arbeiten zwischen Dokumentation und Kunst, zwischen Nostalgie und Zukunftsglauben. Er hat ein humorvoll-verspieltes aber auch radikales Oeuvre geschaffen und gilt als einer der wichtigsten Vertreter finnischer Medien- und Filmkunst. Zwei Tage Strom, das biennale Festival für elektronische Musik, präsentiert gemeinsam mit dem Filmpodium im Rahmen der sechsten Festival-Ausgabe vom 18. – 20. April eine Werkschau mit Filmen, Installationen und einer Staubsaugerperformance - im Filmpodium und im Kunstraum Walcheturm. Kommt und staunt!
Über zwei Jahrzehnte hat Mika Taanila (1965*) Werke geschaffen, die zwischen den Bereichen Dokumentarfilm und bildender Kunst changieren, in analogen und digitalen Formaten, mit Dokumentarfilmen, Kunst- und Musikvideos, Performances und Installationen. Die Auseinandersetzung mit technologischer Evolution und künstlicher Intelligenz sowie deren gesellschaftsphilosophischen Implikationen ziehen sich wie Konstanten durch sein Schaffen: Er wirft neugierige Blicke auf futuristische Utopien, das Verhältnis von Mensch und Maschine und Kreuzpunkte zwischen Kunst und Wissenschaft.
Mika Taanilas Arbeiten bestechen visuell wie musikalisch. Oft entstanden sie in enger Zusammenarbeit mit richtungsweisenden Künstler:innen aus dem Feld der elektronischen Musik. So steuerte Ø (Mika Vainio) sowohl beim Experimentalfilm „Tectonic Plates“ wie auch der audiovisuellen Installation „Physical Ring“ (zu sehen im Kunstraum Walcheturm) die Musik bei; und mit „Optical Sound“ erschuf Taanila ein Musikvideo und eine Dokumentation zu einer Komposition für Matrix Drucker des Elektronik-Duos [The User].
Mika Taanilas Besessenheit von Technikutopien und sein Denken in ungewöhnlichen Verknüpfungen prägen seine Filme und lösen eine ungeheure Sogwirkung aus.
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I Might Be Stuck – (live performance) 2022, 30’
Gespräch mit Mika Taanila 15’ bis 30’
Future Is Not What It Used To Be, Finnland 2002, 52’
I Might Be Stuck – (live performance) 2022, 30’
Music by Jussi Lehtisalo (Circle)
Expanded Cinema im wahrsten Sinne des Wortes: «I Might Be Stuck» ist ein Kino-Ballett im elektromagnetischen Feld drahtloser Datenübertagung, dargeboten von zwei etwas neurotischen Staubsauger-Robotern. Diese drehen ihre Runden im Kinosaal und produzieren mittels Infrarot-Kameras einen fortlaufenden Bilderstrom, der mit Taanilas vorgefertigten Bildern kollidiert. Das Libretto für künstliche Intelligenz schrieb Harry Salmenniemi, Jussi Lehtisalos steuerte die elektronische Musik bei.
«In der Höhe der Roboter oder auf dem Boden der Tatsachen entdecken wir das Kino wieder. Der Dialog zwischen den Robotern erzielt eine Wirkung, die sowohl komisch als auch tiefgründig ist» (Écran Noir)
Back to the Future – Ein Gespräch mit Mika Taanila
Wie ein roter Faden zieht sich durch Mika Taanilas Filme und Installationen die widersprüchliche Verknüpfung von zukunftsorientierten Inhalten mit einer historischen Bildsprache. In einem Q&A gibt er Einblick in seine künstlerischen Strategien und Arbeitsweise, die von seiner Passion für Utopien in Naturwissenschaft, Architektur, Design und elektronischer Musik leben.
The Future Is Not What It Used To Be, Finnland 2002, 52’
Mika Taanila hat dem 2017 verstorbenen Erkki Kurreniemi (geb. 1941) ein umfassendes Portrait gewidmet. Kurreniemi, der sein Leben akribisch in Bild und Ton festhielt (um nach seinem Tod digital neu zum Leben erweckt zu werden), gilt als Pionier der elektronischen Musik und kann als Medienkunst-Philosoph beschrieben werden. In den 1960er Jahren mit dem Aufbau eines elektronischen Musikstudios in Helsinki beauftragt, war er auch als Erfinder, Filmemacher und Robotik-Experte umtriebig. Im Film erzählt Kurreniemi die Geschichte der Computerkunst, verflochten mit seiner eigenen Philosophie kreativer Zweckentfremdung von Technologie.
«Erkki Kurenniemis Weg vom zukunftsorientierten Visionär, einem jungen Mann mit frischem Gesicht, der Pionierarbeit in Sachen Computer und Robotik leistete und dabei stets die Sterne im Auge behielt, bis hin zum hageren und leicht kiffenden Mitsechziger, der verzweifelt die Überreste seiner letzten Tage zum Nutzen einer zukünftigen Rasse von Kuratoren zusammenträgt, erscheint mir wie eine perfekte Parabel auf unsere Zeit.» - Simon Reynolds
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Regie Mika Taanila, Musik Mika Vainio
«Tectonic Plate» ist ein Film, der ohne Kamera gedreht wurde und von Flugangst, Sicherheitskontrollen und dem Überqueren von Zeitzonen handelt. Nach der Rückkehr von einer Reise sitzt der namenlose Protagonist in einem Hotel in Helsinki fest. Dabei verändert der Einsatz verschiedener technischer Geräte wie Telefone, Computer und Herzfrequenzmesser sein Zeitgefühl und Bewusstsein. Der Film besteht aus drei verschiedenen Elementen: auf 35-mm-Klarsichtfilm fotokopierte Dokumente wie Bordkarten oder Flughafenpläne; Fotogramme, die direkt auf 35-mm-Schwarzweiss-Umkehrfilm ausgeführt werden und schliesslich der Text des Dichters Harry Salmenniemi. Die schon im frühen Stadium des Projekts komponierte Musik von Mika Vainio bestimmt grösstenteils den Schnittrhythmus der visuellen Erzählung.
«Eine kühne und eigenwillige Herangehensweise an das Thema Erinnerung (…): In einer Zeit, in der Erfahrungen zunehmend durch digitale Technologien vermittelt werden, sucht Taanila inspiriert von den Letteristen in den sinnlichen Oberflächen des Zelluloidmaterials nach einer alternativen Sprache.» (thedreamcage.com)
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Im Duo Sun Dog haben sich zwei Musiker:innen zusammengeschlossen, die schon seit Jahren ihre ganz persönlichen Klangwelten erschaffen haben. Isabelle Duthoit ist Vokalistin und Klarinettistin, die im Bereich der zeitgenössischen wie auch frei improvisierten Musik zuhause ist. Ihre vokale Kunst, die durch ein äusserst weites klangliches wie auch geräuschhaften Repertoire besticht, hat sie zuerst als Autodidaktin entwickelt, und später beim japanischen Noh und Bunraku Theater in Kyoto verfeinert. Der Musiker, Komponist und visueller Künstler ErikM seinerseits erkundet seit den 2000er Jahre die vielfältigen Möglichkeiten und expressive Ausdrucksformen des Turntablism, welche er in den letzten Jahren in einem digitalen Setting weitergeführt hat.
Zusammen erzeugt das Duo Sun Dog eine äusserst lebhafte und spannungsgeladene Musik, bei der oft die Grenzen zwischen Stimme und Elektronik zu verschwinden scheint. Duthoits Stimme ist mal rau, vibrierend oder gar explosiv, und im nächsten Moment wieder leicht und klar. ErikM interagiert dabei flink mit seinem vielfältigen und expressiven Repertoire an organischen elektronischen Klängen und Klangaufzeichnungen. Sun Dogs Musik lebt durch überraschende musikalische Wendungen, präzisem Zusammenspiel und ihrem grossen Ideenreichtum.
cronicaelectronica.org/sun-dog
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Jessica Ekomane tritt in konzertanten Settings ebenso auf wie sie Klang-Installationen für Museen und Galerien realisiert. Klang ist in ihren Arbeiten Material, das sie fortlaufend transformiert, modelliert und in Live-Performances mittels quadrophonischer Projektion im Raum platziert. In den sich ständig verändernden Klangformationen Ekomanes wird ein Interesse an psychoakustischen Phänomenen greifbar, auf deren Grundlage sie Verhältnisse zwischen individueller Wahrnehmung und kollektiver Dynamik auslotet. Mit einem Ohr in der Tradition elektroakustischer Musik verwurzelt, nimmt Jessica Ekomane in ihrer Arbeit unterschiedliche Entwicklungslinien und ästhetische Kulturen elektronischer Musik auf. Sie studierte an der Universität der Künste Berlin Sound Studies und produzierte über mehrere Jahre eine monatliche Show bei Cashmere Radio, die sich unter dem Titel »Open Sources« für Verbindungen von traditionellen und experimentellen Musiken interessiert.
Bei «Zwei Tage Strom» wird Jessica Ekomane eine quadrophonische elektroakustische Komposition präsentieren.
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Der österreichische Schlagzeuger Lukas König ist in verschiedensten musikalischen Genres unterwegs. In seinem Solo-Projekt tüftelt der gelernte Jazz-Schlagzeuger mit unterschiedlichsten Beats und verfremdet sein Schlagwerk mit elektronischen Klangeffekten die rhythmisch stottern, flirren oder gar zu explodieren scheinen und lässt Synthesizer-Klänge sporadisch einfliessen. Dabei entsteht eine Musik, die phasenweise an eine lärmende Clubmusik erinnert – einem dystopischen Hip-Hop Track gleich – die körperlich, treibend und bewegend ist. Eine Musik, die aber immer wieder bricht und in komplexe Klangstrukturen abtaucht. Manchmal verklärt schwebend, manchmal in bester Freejazz Manier vor sich hertreibt. Eine packende Live-Musik die aus einem minimalistischen Setup mit Becken, Trigger-Pedalen und Tabletop-Elektronik entsteht.
Lukas König hat am Gustav Mahler Konservatorium in Wien, an der Anton-Bruckner Universität in Linz und an der HKB in Bern studiert. Er erhielt 2009 den «Hans Koller Preis – New York Scolarship», den Bremer Jazzpreis und 2014 den Bawag P.S.K. Next Generation Award (mit Kompost3).
Lukas König ist in unzähligen Projekten aktiv, wie zum Beispiel mit Reggie Washington, Audry Chen, Kazuhisa Uchihashi, Shahzad Isamaily, Moormother, Elliott Sharp, MC Sensational und dem Klangforum Wien.
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(Multiscreen Video-Installation) 2002
Das Ausgangsmaterial dieser pulsierenden found-footage Installagion sind Bildaufzeichnungen eines anonymen physikalischen Experiments aus den 40er Jahren, dessen Zweck bis heute unklar ist. Durch den akribischen Schnitt werden die Forschungsaufnahmen zu einer beunruhigenden kinematografischen Fantasie. Die rhythmische Kombination der Bilder mit der Musik der finnischen Elektronik-Formation Pan Sonic erzeugt dabei eine eindringliche, soghafte und hypnotische Wirkung.
×Optical Sound, 2005, 6’
RoboCup99, 2000, 25’
Futuro – A New Stance for Tommorrow, 29’
Auch in seinen visuell vielschichtigen und unterhaltsamen Kurzfilmen legt Mika Taanila den Fokus auf futuristischen Ideen, Utopien und menschliches Scheitern. Er verwendet dabei auf künstlerische Weise historische Archivaufnahmen und Found Footage.
Optical Sound, 2005, 6’
«Optical Sound» basiert auf der Symphony #2 for Dot Matrix Printers des kanadischen Elektronik-Duos [The User], die hier veraltete Nadeldrucker in Musikinstrumente verwandeln. Dazu montiert Mika Taanila nächtliche Zeitrafferaufnahmen, Bilder von Miniatur-Überwachungskameras und die direkt auf klares Zelluloid fotokopierte Musikpartitur.
RoboCup99, 2000, 25’
Musik von Rehberg/Bauer, Christoph de Babalon and Shizuo
«RoboCup99» ist ein kurioser Sportfilm. Der Film wurde während der Roboter-Fussballweltmeisterschaft 1999 in Stockholm gedreht, als die «Gemeinschaft der künstlichen Intelligenz» ihre ehrgeizige Mission verkündete: Bis Mitte des 21. Jahrhunderts wird ein Team aus völlig autonomen Roboterfussballspielern nach den offiziellen Regeln der FIFA den amtierenden Meister der letzten menschlichen Weltmeisterschaft besiegen.
Aus heutiger Sicht wirken die spielenden Roboterpioniere zweifellos liebenswert primitiv.
Futuro – A New Stance for Tommorrow, 29’
«Futuro – A New Stance for Tommorow» ist die Spurensuche vom Aufstieg und Fall des finnischen Designobjektes «Futuro» – ein Vollplastikhaus in UFO-Form, das in den 1960er Jahren weltweit für Furore sorgte. Eine bizarr inszenierte filmische Erzählung von Mika Taanila. Zu Wort und ins Bild kommen dabei neben dem Erfinder Matti Suuronen unter anderen Andy Warhol, Christo, Charles Wilp sowie der russische Sputnik-Jugendreisedienst.
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Francisco Meirino ist ein in der Schweiz lebender Klangkünstler aus Lausanne. Seine Musik erforscht die Spannung zwischen programmierbaren Klangerzeugern und dem Potenzial für dessen Versagen. Sein Interesse gilt vor allem dem, was nicht aufgezeichnet werden soll: das Ende der Lebensdauer elektronischer Geräte, elektrostatisches Rauschen, magnetische Felder und die unkonventionelle Verwendung von Musikhardware und Soundsystemen und wie er diese klanglichen Fehler auf radikal unterschiedliche Weise in seinen Klangstücken ausnutzt.
Dabei setzt er die Klänge auf eine äusserst subtile Art ein. Nichts passiert in seiner Musik überhastend oder gedrängt, sondern lässt den Klangereignissen ihren Raum, sodass sie sich entfalten und ihre Eigenheiten präsentieren können. Mal pulsieren oder wiederholen sie sich, mal schwirren sie flirrend im Raum umher, oder verschwinden krachend in einer Ecke. Mit einem ungemein feinen Gespür überlagert er die Sounds, kombiniert sie zu wohl balancierten Texturen und kreiert so einmalige abstrakten Klangwelten.
Francisco Meirino verwendet in seinen Performances hauptsächlich einen modularen Synthesizer (Eurorack-Serge), verschiedene Mikrofone, den Computer, Fieldrecorder, Tonbandgeräte und Bandechos, EMF-Detektoren und verschiedene selbstgebaute elektroakustische Geräte.
Francisco Meirino ist seit Jahren als Klangkünstler aktiv und zeichnet sich durch verschiedenste Zusammenarbeiten mit internationalen Künstler:innen und Ensembles aus. Er erhielt 2003 den Award für Elektronische Musik Pro Helvetia Schweiz.
http://www.franciscomeirino.com
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Die in Rumänien geborene und in Berlin lebende Klangkünstlerin (*1994) beschäftigt sich mit Hardware-Elektronik und taktilen Experimenten. Sie lässt einfache elektronische Komponenten und veralteten Elektroschrott mit ihrem eigenen Körper, mit organischen Materialien und zufällig gefundenen Objekten interagieren. Aus diesen Kollisionen entstehen synthetische Klänge, die persönliche Erzählungen und Beobachtungen über die Geschichte der Elektronik, ihre Produktionsketten und ihre Auswirkungen auf die Umwelt enthalten.
Die gesamte Website von Ioana Vreme Moser ist ein wunderschönes Sammelsurium voller genialer, oft zerbrechlicher Erfindungen. Es gibt Klangskulpturen aus Zucker, Glas, mit Fairchild-Chips aus den 1960er Jahren, die in Bonbons eingebettet sind ...
In ihrer Sound-Performance «Coquetta» kreuzen sich lärmende elektronische Instrumente mit Schminkutensilien und hochhackigen Schuhen.
Kosmetikutensilien wie Pinsel, Schwämme und Make-Up, Cremes, Kosmetika werden in klangerzeugende Geräte verwandelt – eine Schminkprozedur als sardonischer Verweis auf den grassierenden Schönheitswahn.
Ioana Vreme Moser ist als Performerin und mit Installationen weltweit aufgetreten u.a.: National Gallery of Denmark, Akademie der Künste Berlin, Manifesta 14, Ars Electronica, Transmediale, Berlin.
https://www.ioanavrememoser.com
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Die Musik von Rian Treanor basiert auf repetitiven rhythmischen Sequenzen und Patterns, die er in einem ureigenen musikalischen Kosmos zueinander fügt. Unüberhörbar sind dabei Einflüsse von Techno und anderen Clubmusiken, hört man sich aber seine Veröffentlichungen an – etwa das 2020 erschienene Album »File Under UK Metaplasm« –, so glaubt man in den stroboskopischen Soundverkettungen immer wieder auch jene Möglichkeit zu hören, die Treanor in seinem jüngsten Projekt gemeinsam mit dem ugandischen Musiker Ocen James realisiert: die Verbindung seiner durch und durch digitalen Ästhetik mit traditioneller afrikanischer Musik. Mit seinem selber entwickelten elektronischen Instrumentarium schafft Treanor eine unverkennbar eigensinnige und dennoch aus verschiedenen Richtungen zugängliche (und in verschiedene Richtungen anschliessbare) Musik, in der somit auch die zentrale Idee von Zwei Tage Strom gehört werden kann.
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(Multiscreen Video-Installation) 2002
Das Ausgangsmaterial dieser pulsierenden found-footage Installagion sind Bildaufzeichnungen eines anonymen physikalischen Experiments aus den 40er Jahren, dessen Zweck bis heute unklar ist. Durch den akribischen Schnitt werden die Forschungsaufnahmen zu einer beunruhigenden kinematografischen Fantasie. Die rhythmische Kombination der Bilder mit der Musik der finnischen Elektronik-Formation Pan Sonic erzeugt dabei eine eindringliche, soghafte und hypnotische Wirkung.
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